Das paradoxe Verhältnis zum Weltfrauentag

Alle Jahre wieder…ist internationaler Weltfrauentag. In Berlin ist der 8. März sogar ein Feiertag, im Rest von Deutschland nicht. Aber das macht keinen Unterschied: Es ist sicher, dass Unternehmen und Medien den Weltfrauentag in ihrer Kommunikation aufgreifen werden. Wie geht es der Gleichberechtigung und wie steht es um den Frauenanteil in Dax-Konzernen, werden die Schlagzeilen fragen. Die realistische Antwort auf beides lautet gleich, nämlich schlecht – es wird nur besser verkauft. Es wird ein Interview mit der einen herausragenden Frau geben und es wird heißen, dass man noch nicht da ist, wo man sein sollte, aber sich ein guter Weg dahin abzeichne. Tage wie der Weltfrauentag sollen daran erinnern, dass es jetzt Zeit ist, Frauen zu empowern. Und zwar durch jeden, jede und zu jeder Zeit. Dieser Tag sollte nicht nur im Redaktionsplan abgehakt werden. Und schon zweimal nicht von unterbezahlten oder sexuell belästigten Redakteurinnen!

 

Es ist wirklich ein Paradoxon, in dem wir uns befinden. Medien schreiben über Gleichberechtigung, Unternehmen färben ihre Logos in alle Varianten, die die Diversität hergibt und trotzdem sind auch in diesen „bunten“ Unternehmen der Gender Pay Gap und die Stereotypisierungen von Frauen gelebter Alltag. Wie passt der Launch von „starken Frauenformaten“ zu Sendern, die Diversity propagieren, zu Dating-Shows, in denen Frauen alkoholisiert werden und um einen Mann streiten? Warum berichten „Frauensender“ thematisch nur über Kinderbetreuung, Blumen, Kosmetik und Yoga-Kurse? Wie kann es sein, dass Frauen in den Chefsessel befördert werden und gleichzeitig Formate mit halbnackten Mädels über den Bildschirm laufen? (Man beachte: Die wenigen Frauen, die in einem Sessel für den Chef – also männlich – sitzen dürfen!) Mein Bekannter Mate fragte mich neulich: “Wie kann es sein, dass Konsument*innen so viel Diversity in die Medien pushen und gleichzeitig Portale wie “Only Fans” gefeiert werden?“ Dann lachte er und sagte: „Und das fragt ein weißer Mann wie ich.” Doch warum sollte er diese berechtigte Frage nicht stellen? Keiner disqualifiziert sich aufgrund seines Geschlechts oder seiner Ethnie automatisch davor, kritisch zu hinterfragen. Es wäre vielmehr der Job jeder Führungskraft und von jeder Person, die Verantwortung in den Medien trägt, so zu handeln.

 

Was mich erschüttert: Journalist*innen, die zum Frauentag mit der Schlagzeile “Wir brauchen keinen Weltfrauentag” aufmachen. Sie liegen nicht nur falsch, sie sind auch nicht sorgfältig. Aus einer privilegierten Position heraus neigt man eben schnell zu Nonsens. Selbstverständlich brauchen wir einen Weltfrauentag. Einen mahnenden Tag, der uns daran erinnert, dass eben noch nicht alles gleichberechtigt ist. Nicht hier in Deutschland – und in weniger privilegierten Ländern schon zweimal nicht! Was wir aber brauchen, ist ein anderer Umgang mit dem Grund für diesen Tag. Wir brauchen keine bunten Logos, wir brauchen wirkliche Veränderung. Statt roter Rosen sollte es endlich Gleichberechtigung regnen. Und das nicht nur am Weltfrauentag, sondern an 365 Tagen im Jahr.

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Erschienen in der Zeitschrift Meedia