Wie viel Diversität kann das Mittagsmagazin?

Diese Woche kam es zu einer Diskussion um Diversität im Zuge der Neugestaltung des Mittagsmagazins. Die Moderatorin Nadia Kailouli und der Moderator Aimen Abdulaziz-Said, beide in Westdeutschland aufgewachsen, mit Migrationshintergrund, verlieren ihren Moderationsplatz. Es kursiert die Annahme, dass der MDR zwei neue Moderator*innen mit ostdeutschem Hintergrund an Bord holen wolle. Das schloss der aktuelle Diskurs aus dem jeweiligen Tweet der betroffenen Moderator*innen mit dem gleichen Wortlaut: „Wie ihr wisst, zieht das ARD-MIMA 2024 nach Leipzig. Ich werde die Sendung dann leider nicht mehr moderieren. Laut MDR-Chefredakteurin soll die künftige Moderation einen ost-deutschen Hintergrund haben“. Aus meiner Sicht entwickeln sich mehrere Aspekte in der öffentlichen Debatte in eine verkehrte Richtung. Gleichzeitig haben die betroffenen Personen beim MDR Diversität als holistischen Faktor nicht mitgedacht.

Entweder, oder?

Zwei People of Color müssen für zwei ostdeutsche Personen weichen. Das impliziert, es gäbe nur ein limitiertes Kontingent an Moderationspersonal, welches sich vom stereotypischen Deutschen unterscheiden dürfe. Ob das beim MDR so ist, weiß ich nicht. Für mich stellt sich die „Entweder-oder-Frage“, allerdings nicht. Grundsätzlich bedeutet Diversität in einem Unternehmen nicht eine Quote mit verschiedenen marginalisierten Leuten zu bedienen, sondern Raum für Vielfalt zu schaffen. Das wird nicht an der Hautfarbe oder Migration festgemacht, sondern an der Akzeptanz für Diversität in all ihren Facetten und Konsequenzen. Das beinhaltet zum Beispiel auch die Frage, ob Strukturen und Inhalte eines Formats für Menschen mit vielfältigem Hintergrund tragbar sind. Die Frage, soll diese oder jene Person eingesetzt werden, ist verengend – vielmehr müsste es lauten: soll diese und jene Person stattfinden.

Minderheiten werden gemeinsam stark

Wer sich für mehr Diversität einsetzt, sollte keine Minderheiten gegeneinander ausspielen. Die Frage, ob nun People of Color oder Menschen aus Ostdeutschland mehr Berechtigung an einer Sichtbarkeit in der besagten Sendung haben, geht komplett am Thema vorbei. Denn alle haben ein Recht auf Sichtbarkeit. Es sollte die Aufgabe sein, ein repräsentatives Bild der Gesellschaft abzubilden anstatt auszuloten, inwiefern die bisher viel zu kleine Plattform für Diversität besetzt wird. Eine Rechtfertigung, indem auf andere Moderator*innen mit Migrationshintergrund verwiesen wird, wäre zum Beispiel fatal.

Regionalität ist für viele Medienhäuser wichtig

Der MDR als Mitteldeutscher Rundfunk könnte ein legitimes Interesse daran haben, mehr ostdeutsche Aspekte nach außen zu tragen. Regionalität spielt in vielen Medienhäusern eine Rolle. Das wiederum bedeutet allerdings nicht, dass eine Schwarze Person per se ausgeschlossen ist. Es gibt auch People of Color in Ostdeutschland. Andererseits könnte sich nicht-lokales Moderationspersonal auch mit den Gepflogenheiten einer anderen Region vertraut machen. Das ist zwar ein schwieriger Weg, aber auch eine Option, insbesondere bei bereits etablierten Moderator*innen einer Sendung. Regionalität kann also ein Faktor bei einer Stellenbesetzung sein, allerdings sollte sie nicht der einzige sein!

Wie kann der MDR nun agieren?

Inzwischen gab es ein Statement des MDR vom 4. Juli. In diesem sagte die Chefredakteurin Julia Krittian, dass eine nicht vorhandene ostdeutsche Perspektive ausdrücklich kein Ausschlusskriterium sei. In der offiziellen Presseinformation des MDR, welche am 30.06.2023 veröffentlicht wurde, rückte das Thema Regionalität jedoch auffällig häufig in das Wording. So heißt es zum Beispiel: „Wir stärken die bundesweite Sichtbarkeit ostdeutscher Lebenswirklichkeiten.“ Es wird allgemein erklärt, wie das aussehen könnte, eine konkrete Beschreibung über die Umsetzung findet allerdings nicht statt. Ebenfalls hieß es inzwischen aus dem MDR, dass sich die beiden bisherigen Moderator*innen nicht für das Mittagsmagazin beworben hätten. Warum das so ist, kann man von außen nicht beurteilen. Alle Äußerungen dazu sind Mutmaßungen.

 

Der aktuelle Fall rund um das Mittagsmagazin zeigt, wie komplex das Thema Diversität ist. Aus meiner Sicht gibt es hier kein Entweder – Oder. Der MDR hat sich in der bisherigen Kommunikation unglücklich positioniert und den Faktor Diversität und Diskriminierung in der öffentlichen Debatte offensichtlich unterschätzt. Die Lage birgt noch viel Zündstoff für weitere Eskalationen. Zu viele Faktoren sind unklar und teilweise wirken sie ambivalent. Aus meiner Sicht kann nur noch absolute Transparenz bei der Besetzung der Stellen im Rahmen helfen. Dass die öffentliche Diskussion so entflammt ist, macht deutlich, dass das Thema Diversität nicht nur vor der Kamera stattfindet, sondern in allen Bereichen eines Unternehmens mitgedacht werden sollte: von HR über die Kommunikationsabteilung, die Crew bis hin zum Moderationsteam.